Havelberg
Für eine sich im Umbruch befindende Gesellschaft stellte die im 14. zum 15. Jh. stattfindende Ausgestaltung des Havelberger Domes einen besonderen Höhepunkt dar. Mit der Entstehung eines neuen Pilgerortes an der Elbe gelang es, die Krise zu einem wirtschaftlichen Aufschwung zu führen. Am 16. August 1383 wurde das Dorf Bad Wilsnack im Zuge einer Fehde durch Ritter Heinrich von Bülow zerstört. Die Mehrzahl der Bevölkerung befand sich zum Domweihfest in Havelberg. Bei der Rückkehr fand der Wilsnacker Priester Johannes Kabbuz im Hostienbehälter in der Altarplatte die vom Brand rot gefärbten Hostien. Nach dem katholischen Dogma handelt es sich um eine „Wandlung“, dem liturgischen Höhepunkt bei der Messfeier. In diesem wird das Brot der Hostie zum Leib Christi. Die mit einer roten Flüssigkeit bedeckten Hostien hatten dem Verständnis nach eine Wandlung zum „Blut Christi“ erfahren. Die Volksfrömmigkeit nahm diese Auslegung gerne an. Bereits ein Jahr nach der Entdeckung des „Wunderblutes“ von Wilsnack erfuhr der Ort einen ungeahnten Aufschwung. Seine Berühmtheit reichte weit in den europäischen Raum hinein.
Bischof Johannes Wöpelitz von Havelberg (1385 -1401) kaufte 1387 Wilsnack. Im Jahre 1395 erhielt er die päpstliche Erlaubnis, diesen Besitz in das bischöfliche Tafelgut aufzunehmen. Es folgte die Regelung der Einnahmen aus dem Verkauf von Pilgerzeichen. Dieser Geldquell bildete die Voraussetzung für die außergewöhnliche Konzeption des Lettners in der Kathedralkirche: Einem besonders ausgewählten Ort für Pilger und Pilgerinnen. Die massive Sandsteinfront des Lettners mit seiner ungewöhnlich plastischen Gestaltung erlaubte die visuelle Teilhabe am Messritus. Symbolhaft wurden die Gläubigen in die szenischen Darstellungen und das Wirken des Gottessohnes auf der Erde einbezogen.
Der Hauptschmuck im Havelberger Dom bildet das Lettner-Chorschranken-Ensemble bestehend aus 20 Reliefplatten mit szenischen Darstellungen der Passion Christi. Die massive Sandsteinfront des Lettners verhinderte den Sichtkontakt der Gemeinde, der Pilger und Pilgerinnen in den Klerikerchor.